Birkenwerder, den 7. März 2017
Die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit hat sich bereits in der 16. Wahlperiode (Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Lt-Drs. 16/5913) und in der 18. Wahlperiode an Beratungen zu einem Landesinformationsfreiheitsgesetz gutachterlich beteiligt. Die anliegende Stellungnahme nimmt im wesentlichen Grundgedanken zu Informationsfreiheit und Transparenz auf, die in den bereits erfolgten Anhörungen vorgetragen wurden.
Zum Vierten Teil des Hessischen Datenschutz und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) nehme ich für die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit wie folgt Stellung:
1. Allgemeines
Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit enthält in Artikel 1 den Entwurf eines Hessischen Datenschutz und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG), der wiederum als „Vierter Teil“ Regelungen zur Informationsfreiheit enthält.
Den Gesetzentwurf zeichnet aus, dass die Regelungen zum Informationszugang sich im Ergebnis auf eine partiell eng begrenzte Ergänzung des Landesdatenschutzgesetzes beschränken.
Bedauerlich ist, dass an einer getrennten Kodifikation des allgemeinen Informationszugangsrechts auf Landesebene festgehalten wird und damit die Unübersichtlichkeit auf dem Gebiet der Informationszugangsregelungen noch verstärkt wird. Mit dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (HUIG), dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG), dem Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz (AFIG) und mit dem Hessischen Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes (HVGG) wird es dann vier spezialgesetzliche Informationszugangsregelungen für die hessischen Landesbehörden geben. Hier nun ein fünftes Gesetz anzufügen erscheint nicht sinnvoll. Der Landesgesetzgeber sollte der Regelungsvielfalt entgegentreten, indem er die Beschränkung des bewährten hessischen Umweltinformationsgesetzes auf Umweltinformationen aufhebt und es damit zu einem modernen und einheitlichen Informationszugangsgesetz unter Einschluss der Umweltinformationen macht.
Es wird auch offensichtlich die Chance nicht genutzt, ein modernes Transparenzgesetz zu schaffen, dass durch die Statuierung von Veröffentlichungspflichten einen zeitgemäßen, barrierefreien, bürokratiearmen und kostengünstigen Zugang zu ausgewählten amtlichen Informationen eröffnet.
Der Gesetzentwurf ist offenkundig ein schwer errungener Kompromiss zwischen den Regierungsfraktionen, die auf diesem Politikfeld zu weit auseinander sind, um sich auf einen kohärenten und zukunftsweisenden Gesetzentwurf einigen zu können. So lässt sich auch erklären, dass hier die Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landtagsfraktionen gewählt wurde, obwohl der komplexe Gesamtgesetzentwurf mit Sicherheit vom Landesinnenministerium erarbeitet und im Ressortkreis ausführlich, und im Ergebnis auch sicher sehr streitig, abgestimmt wurde.
Der Gesetzentwurf ist auch nicht hinreichend begründet. Die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe bedürften dringend einer ausführlicheren konkretisierenden Erläuterung in der Gesetzesbegründung.
Im Ergebnis handelt es sich um eine handwerklich nicht immer gelungenen Gesetzentwurf, mit dem die Chance vergeben wird, die hessische Verwaltung auf allen Ebenen transparenter, moderner und im Ergebnis auch bürgerfreundlicher zu machen.
2. Zu den Regelungen
2.1 Zum Anwendungsbereich (§ 81 HDSIG)
Die Vorschrift scheint den üblichen Regelungen zum Kreis der Anspruchsberechtigten zu den verpflichteten Stellen zu entsprechen und verweist auf „öffentliche Stellen“ als auskunftsverpflichtet nach dem Gesetz. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll sich der Begriff der öffentlichen Stelle nach § 2 Abs. 1-3 HDSIG richten.
Im Ergebnis entzieht § 2 Abs. 2 HDSIG öffentliche Stellen des Landes, der Gemeinden und Landkreise dem Anwendungsbereich des Gesetzes und damit auch den Informationszugangsregelungen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen. Diese Regelung zeichnet sich nicht durch Normenklarheit aus.Der Anwendungsbereich der
Informationszugangsvorschriften wird auch nicht auf Private erstreckt, derer sich die Behörden zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedienen (so z.B. § 1 Abs. 3 IFG-Bund und § 2 Abs. 1 Nr. UIG-Bund). Damit wird die Flucht ins Privatrecht eröffnet.
2.2 Anwendungsbereich (§ 81 HDSIG)
Die Vorschrift enthält in Absatz 2 eine erstaunliche Vielzahl von Bereichsausnahmen. Augenscheinlich ist es den so privilegierten Behörden im Abstimmungsprozess des Gesetzentwurfs gelungen, sich komplett aus dem ungeliebten Gesetzgebungsvorhaben herauszunehmen. So sollen vom Anwendungsbereich des Gesetzes über die übliche Bereichsausnahme für die Nachrichtendienste hinaus ausgenommen sein die Polizeibehörden, die Landeskartellbehörde, die Regulierungskammer, die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird dies damit begründet, dass diese Stellen „regelmäßig Daten mit spezifischem Schutzerfordernissen“ verarbeiten (so für die Polizei und den Verfassungsschutz), oder „in erheblichem Umfang Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verarbeiten“ (für die Landeskartellbehörde und die Regulierungskammer). Es wird zwar auf die besonderen Schutzvorschriften z.B. für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwiesen (Lt-Drs. 19/5728, S. 150), warum diese keinen hinreichenden Schutz gewähren, bleibt unerfindlich.
Im Ergebnis weist der Gesetzentwurf damit den wohl engsten Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder auf. Mit § 81 Abs. 3 HDSIG werden die Bereichsausnahmen auf bei anderen Behörden liegende amtliche Informationen erstreckt, ohne dass es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit der Unterlagen ankommt.
Warum hier die auch eher restriktiven Informationszugangsregelungen des IFG-Bund mit seinen vielen Schutz und Ausnahmeregelungen nicht konsensfähig waren, ist nicht nachvollziehbar.
2.3 Schutz besonderer öffentlicher und privater Belange (§ 82 HDSIG)
Nr. 1 nimmt Verschlusssachen nach dem Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom Informationszugang aus. Ob hier auf die formelle Einstufung abzustellen ist oder ob darüber hinaus auf das Vorliegen der materiellen Einstufungsvoraussetzungen abzustellen ist (so BVerwG zu § 3 Nr. 4 IFG-Bund, Urteil vom 29.10.2009, Az. 7C22.08, Rdnr. 51) bleibt auch in der Gesetzesbegründung offen.
Nr. 4 soll Geheimnisse schützen, die zum persönlichen Lebensbereich gehören. Um welche Informationen es hier gehen kann und warum die folgende Vorschrift zum Schutz personenbezogener Informationen nicht ausreicht, bleibt unerfindlich. Die Gesetzesbegründung verschweigt sich hier.
Besonders besorgniserregend ist die Ausnahmevorschrift des Nr. 5, der einen Informationszugang ausschließt, soweit „rein wirtschaftliche Interessen an den Informationen bestehen“. Welchem Schutzbedürfnis diese Vorschrift dient, bleibt unerfindlich. Im Ergebnis wird damit die gesamte Presse vom Informationszugang nach dem Gesetz ausgeschlossen und auf die presserechtlichen Ansprüche zurückgeworfen, die nur einen Auskunfts- und gerade keinen Akteneinsichtsanspruch gewähren.
2.4 Schutz personenbezogener Informationen (§ 83 HDSIG)
Die Norm nimmt alle personenbezogenen Informationen im Ergebnis aus dem Anwendungsbereich der Informationszugangsregelungen heraus. Eine Abstufung nach der Schutzbedürftigkeit oder eine Rechtsgüterabwägung sieht das Gesetz nicht vor.
2.5 Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse (§ 84 HDSIG)
Die Norm entspricht im Wesentlichen § 4 IFG-Bund. Überraschend ist die Schutzvorschrift des Absatzes 3 in Bezug auf „Protokolle vertraulicher Beratungen“. Augenscheinlich muss es sich hier um Protokolle handeln die „vertraulich“ sind, aber nicht als Verschlusssache eingestuft sind, da sie ja dann bereits unter die Schutzvorschrift des § 82 Nr. 1 HDSIG fielen. Die Gesetzesbegründung verschweigt sich hier leider wieder. Augenscheinlich sollen hier die Behörden die Möglichkeit erhalten, Beratungsprotokolle nach eigenem Gutdünken dem Informationszugang zu entziehen.
2.6 Verfahren bei Beteiligung Dritter und Entscheidungen (§86 und 87 HDSIG)
Die Vorschriften entsprechen im Wesentlichen den Vorschriften des IFG-Bund (dort § 7 und 8) und zeichnen auch die Fristenregeln nach.
2.7 Kosten (§ 88 HDSIG)
Wie auch § 10 IFG-Bund stellt § 88 HDSIG auf Amtshandlungen nach dem Gesetz ab und würde daher auch die Gebührenerhebung bei Antragsablehnung erfassen. Seit 2001 stellt dahingegen das UIG auf die Übermittlung von Informationen nach diesem Gesetz ab und schließt damit bereits Gebührenerhebungen bei Antragsablehnung aus (§ 12 Abs. 1 UIG). Das in der Anlage enthalte Kostenverzeichnis nach § 13 Abs. 9 HDSIG enthält erfreulicherweise keinen Kostentatbestand für eine Antragsablehnung. Dies hätte bereits im Gesetz geregelt sein sollen.
2.8 Informationsfreiheitsbeauftragter (§ 89 HDSIG)
Die Einsetzung eines oder einer Informationsfreiheitsbeauftragten ist sehr zu begrüßen.
2.9 Archivalien
Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen zur Anwendung der Informationszugangsregelungen auf Archivalien nach dem hessischen Archivgesetz, womit die Unterlagen mit Archivierung dem Informationszugang nach diesem Gesetz wieder entzogen und nur noch archivrechtlichen Vorschriften mit ihren Schutzfristen unterfallen. Eine überraschende Regelung.
Dr. Sven Berger